Der Führungswechsel von Eltern zum Kind will gut organisiert sein
Jedes Jahr stehen in Deutschland laut dem Bonner Institut für Mittelstandsforschung rund 70.000 Unternehmen vor einem Generationswechsel. Bei fast der Hälfte dieser Unternehmen bleibt das Unternehmen in familiärer Hand. Doch ein innerfamiliärer Wechsel ist in der Regel nicht konfliktfrei, da die emotionalen Komponenten ganz erheblich rationale Aspekte überlagern. Daher erstaunt es nicht, dass viele Unternehmerkinder aus unterschiedlichen Gründen nicht in die Fußstapfen der Eltern treten können oder möchten. Die Erwartungen, die der Übergeber an seinen Nachfolger stellt, sind bei eigenen Familienmitgliedern viel höher als bei Dritten, die Toleranz hingegen deutlich niedriger.
Viele Konflikte beruhen auch auf unterschiedlichen Wertvorstellungen der Generationen. Während Gründer der Nachkriegszeit durch die Erfahrungen von Entbehrung und Armut geprägt wurden, zählt für die Nachfolgegeneration mehr Individualität und Work-Life-Balance. Daraus resultiert ein Konfliktpotenzial, das gerade für die Übergangszeit typisch ist. Ein stetiger ehrlicher Austausch ist daher in jeder Phase des Übergabeprozesses sehr wichtig. Ganz besonders in der Anfangszeit, wenn sich der Nachfolger noch in neue Rolle zurecht finden muss, sollte der Übergeber Geduld zeigen. Erinnerungen an die eigenen Anfangsjahre können hier sehr hilfreich sein. Ein offener Austausch über persönliche Pläne und Vorstellungen aber auch über Ängste und Erwartungen ist maßgeblich für einen gelungenen Generationswechsel im Familienunternehmen.
Wolfram Birkel und seinem Sohn Christoph kam sehr zugute, dass beide von jeher ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zueinander hatten. Als leidenschaftliche Segler haben sie bereits so manches Boot als Team erfolgreich gesegelt und sich dabei abwechselnd in der Rolle des Bootsführers bewährt. Aktuell führen beide seit 2005 gemeinsam die Geschäfte im Hamburger hit-Technopark, Technologiezentrum und Realisierungsplattform für junge und etablierte Unternehmen. Mittelfristig ist geplant, dass der Junior die Geschäfte alleine führt. Dieser Entscheidung gingen allerdings eine ganze Reihe an Planungsschritten voraus.
Als Unternehmer ist die eigene Firma Teil der Identität
Wolfram Birkel als der Übergeber des Unternehmens musste seine Ziele für die Phasen während und nach dem Wechsel klar definieren. Dabei sind für jeden Senior-Unternehmer folgende Fragestellungen wichtig:
- Wie soll sich meine finanzielle Altersvorsorge zusammensetzen?
- Wie hoch muss entsprechend der Erlös aus der Übergabe sein?
- Gibt es eine Einmalzahlung oder soll Renten- oder Pachtbasis stattfinden?
- Welche Interessen habe ich neben meinem Unternehmen?
- Wie stelle ich mir meine persönliche Zukunft vor?
- Will ich vielleicht mit konkreten Teilaufgaben doch noch dabei bleiben?
- Ist das Unternehmen auf die Übergabe vorbereitet? Wie unabhängig ist das Unternehmen von meiner Person?
- Wo soll mein Unternehmen in sieben bis zehn Jahren stehen?
Ein Fehler wäre es, die Übergabe zu lange hinauszuzögern, denn mit zunehmendem Alter sinkt die Innovations- und Risikobereitschaft des Unternehmers, was sich auf seine Firma nachteilig auswirkt. Stattdessen muss die Notwendigkeit einer Abgabe erkannt, akzeptiert und aktiv vorangetrieben werden. Als Erschwernis kommt hinzu, dass sich Unternehmer natürlich sehr stark mit ihrem Lebenswerk identifizieren – und wer will schon zusehen, wie dieses verändert, gar auf den Kopf gestellt wird. Daher müssen klare Perspektiven für das Leben nach der Übergabe geschaffen werden. Fest steht: Die Regelung der eigenen betrieblichen Nachfolge ist die ureigenste Aufgabe des Unternehmers, das kann ihm niemand abnehmen.
Wolfram Birkel hat gute Erinnerungen daran, wie sein Vater ihn vor 35 Jahren auf die Leitung des familieneigenen Unternehmens vorbereitet hat. In kleinen Schritten übertrug er ihm immer mehr Verantwortung bei dem 1989 verkauften Nudelhersteller. Einige Jahre später übernahm Birkel problemlos allein die Führung. Diese persönlichen Erfahrungen kommen ihm heute zugute, wenn er mit Sohn Christoph die Zukunft des hit-Technopark bespricht.
„Es prägt sehr, wenn man selber einmal Junior war“, sagt Birkel. „Man sollte die Nachfolge schon frühzeitig in die Wege leiten und als Senior vor allem bereit sein, nach und nach immer mehr Verantwortungen zu übertragen.“
Die Unternehmerpersönlichkeit zählt
Christoph Birkel betreut deshalb viele eigene Projekte, zum Beispiel beim aktuellen Ausbau des Firmengeländes, und führt Gespräche mit den rund sechzig im Campus ansässigen Firmen hinsichtlich weiterer Entwicklungsmöglichkeiten im hit-Technopark. „Als Kind einer Unternehmerfamilie habe ich natürlich überlegt, was ich ohne die Perspektive auf das elterliche Unternehmen studiert oder gelernt hätte. Glücklicherweise liegen meine Interessen tatsächlich im Bereich Betriebsführung und Unternehmensentwicklung, da liegt es nahe, das im familieneigenen Unternehmen einzusetzen“, erklärt er seine Entscheidung für den hit-Technopark.
Entspricht allerdings die geplante Übernahme nur den Erwartungen der Familie, sollte dieser Schritt eher abgelehnt werden. Denn wenn der Nachfolger im Grunde andere Interessen hat, wird sich das negativ auf seine Arbeit und damit auf das ganze Unternehmen auswirken.
Dietmar Kunisch-Quadflieg, Leiter der integrierten Unternehmensberatung im hit-Technopark, erklärt dazu: „Die Persönlichkeit des Unternehmers ist einer der zentralen Erfolgsfaktoren für mittelständische Betriebe. Übergeber und Übernehmer sollten daher gemeinsam ein umfassendes Qualifikationsprofil erstellen, das sowohl fachliche, unternehmerische und persönliche Fähigkeiten und Potenziale beleuchtet.“ Als fachliche Kompetenzen gelten in erster Linie das kaufmännisch-betriebswirtschaftliche Know-how, die nötigen Branchenkenntnisse sowie die beruflichen Erfahrungen insgesamt.
Kommunikationsstärke, Freude im Umgang mit Menschen und Kooperationsfähigkeit sind persönliche Qualifikationen. Als unternehmerische Stärken gelten Führungsfähigkeit, soziale Kompetenz, Risikobereitschaft und Belastbarkeit.
Unternehmensberater Kunisch-Quadflieg hat eine Checkliste entwickelt, die dem eventuellen Nachfolger als Entscheidungshilfe dienen soll:
- Bekomme ich ausreichend Unterstützung von meinem familiären Umfeld?
- Was sind meine Beweggründe für eine Betriebsübernahme?
- Kann der Güterstand meiner Ehe das Unternehmen im Scheidungsfall gefährden?
- Wie will ich die Unternehmensnachfolge finanzieren?
- Welche Förderprogramme gibt es?
- Stimmt mein Qualifikationsprofil mit den Anforderungen für die Unternehmensführung überein?
- Wie kann ich mögliche Diskrepanzen ausgleichen (z.B. durch Seminare, Mentoring, Coaching, Weiterbildung)?
- Habe ich für den Notfall (z.B. Unfall) vorgesorgt?
Transparenz schafft Vertrauen
Doch sind neben Übergeber und Übernehmer bei einem Führungswechsel auch die Mitarbeiter involviert und im Problemfall nicht selten die Leidtragenden. Vor der Einführung eines neuen Führungsstils muss geprüft werden, wie viel Veränderung den Mitarbeitern zugemutet werden kann. Der Nachfolger sollte zum Beispiel an einer langfristig gewachsenen Unternehmenskultur lieber nichts verändern und sich dem vorherrschenden Kleidungsstil und dem Umgangston möglichst anpassen:
Als Kind vom Chef wird schon beim geringsten Fehler leicht unterstellt, man sei nur aufgrund der familiären Bande auf dem Führungsposten. Auch wenn beispielsweise die Mitarbeiter den Unternehmersohn schon als Kind bei den Hausaufgaben geholfen haben, ist es sicherlich nicht ganz leicht, in ihm ab sofort den Chef zu sehen. In jedem Fall gilt die Regel: Transparenz schafft Vertrauen. Über geplante Veränderungen muss rechtzeitig informiert und die Mitarbeiter maximal mit einbezogen werden.
Genauso müssen Kunden und Lieferanten frühzeitig über den Wechsel in Kenntnis gesetzt werden. Schon ein nettes Telefonat mit dem „Neuen“ kann Vertrauen schaffen und eventuelle Bedenken zerstreuen.